Hart an der Grenze – Ed Hardy

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Hart an der Grenze – Ed Hardy kämpft mit seinen Dämonen

Menschen, die sich heutzutage mit Ed Hardy – Klamotten oder Accessoires auf die Straße wagen, haben es nicht leicht. Sie fallen negativ auf. Die einst so bewußte Provokation mit artifiziellem Luxus wirkt nur noch amateurhaft. Zuviel Trash: Glitzersteine, pseudokitschige Totenköpfe mit flammenden Herzen, verschnörkelte Schrift mit Slogans wie „love dies hard“. Vor allem aber: die  B- und C-Promi- Vermarktung, und die weltweite Lizenzvergabe an alle, die sich etwas dazuverdienen wollten. Sie bedruckten alles und jeden mit den Ed Hardy Tattoo-Motiven.

Das führte zu einem Marken-Bashing, das darin gipfelte, daß alle ernstzunehmenden Händler Ed Hardy aus ihrem Sortiment nahmen. Zu verantworten hatte diesen Gau der mittlerweile verstorbene „take the money and run“-Designer Christian Audigier aus Frankreich . Für ihn war der Erwerb der Rechte und das Lizenzgeschäft mit dem Tätowierer aus San Francisco Don Ed Hardy eine Lizenz zum Gelddrucken. Mehr nicht.

Für die Credibility des Tattoo-Künstlers Ed Hardy bedeutet dieses Geschäft nichts Gutes. Eine gewisse Teilhabe am Lizenzgeschäft zwar, aber seine Ambition eine eigene künstlerisch wertvolle Welt zu erschaffen, war dahin. Ganz im Gegensatz Anfang der 70er Jahre. Don Ed Hardy entwarf Tattoos wie sie die Welt auf der Haut noch nicht gesehen hatte. Er entwarf Motive, die weit über den gängigen Matrosenanker hinausgingen. Eindrücke aus einer Asienreise verarbeite er zu damals äußerst interessanten Tattoo-Motiven:  Tiger, Drachen, Fische, Schlangen, Flammen… Das war von einer Originalität, die sehr viel Aufsehen erfuhr, auch auf dem Kunstmarkt. Der Duktus des Tätowierers war einzigartig. Das scheint nun verloren zu sein.

Es gibt jedoch das Bemühen, an alte Stärke anzuknüpfen. In der Lombard Street in San Francisco führt der Sohn Doug Ed Hardy das von seinem Vater gegründete Studio “Tattoo City“ fort. Er möchte den Stil seines Vaters aufgreifen, weiterentwickeln, und ihn vom Image des Massen-Kitsch befreien. „Ed Hardy“ wieder „cool machen.“ Auch wir vom Tattoo Studio Anansi interessieren uns, wie Don Ed Hardy sein spezielles Design entwickelte. Für einen Besucher in San Francisco eine einfache Sache.

Schauen wir auf ein paar Worte in Doug Ed Hardys Studio vorbei.

Doug ist stolz auf seinen Vater. Wir sprechen darüber, wie dieser Anfang der 70er Jahre in San Francisco eine Tattookunst forcierte, die mehr sein wollte, als bloße Gang-Zeichensprache. Oder reine Auftragsarbeit für gesellschaftlich Ausgestoßene, Diebe und spontan vorbeikommende Seeleute. Er erzählt, wie sein Vater, von der Kunstschule kommend, in das Tattoo-Geschäft einstieg. Wie dieser das Tätowieren für eine  alternative, intellektuelle Schicht öffnete, die mit mehr Humor an die „Sache mit der Tinte auf der Haut“ ging. Und die scharf auf außergewöhnliche Motive war. Hier konnte Don Ed Hardy die Eindrücke verarbeiten, die er als Gehilfe des japanischen Tätowierers Hirohide bekam. Mit seiner außergewöhnlichen Beharrlichkeit nahm Ed Hardy von der Westküste Amerikas aus Kontakt mit diesem auf, nachdem er ihn zuvor im Studio von Sailor Jerry kennengelernt hatte. Dann zog er ohne Umschweife nach Japan, um mit Hirohide zu arbeiten. So bekam Ed Hardy viel Kontakt zur japanischen Kultur, die er zunehmend für Tattoo-Motive hernahm. Anfangs die berühmten Meereswellen alter asiatischer Kunst, später dann unbefangen alles mögliche aus der japanischen Kultur, wie zum Beispiel die schon erwähnten Tiger und Drachen.

Aber entscheidend ist, daß Ed Hardy großen Respekt vor der Symbolik seiner Abbildungen hatte. Er war sehr darauf bedacht, dass seine Motive einen Sinn ergaben, für den  Tattoo-Künstler, wie für den Tätowierten selbst. Symbole bedeuten in Japan sehr viel, und diese Bedeutung sollte einen authentischen Ausdruck im Tattoo bekommen. So wie der Tiger in Japan für das weibliche und gefährliche Yin Zeichen steht, das im ewigen Konflikt mit dem Drachen des Wohlstandes (Yang) steht. 

Auch dass in Asien der ganze Körper als erzählende Leinwand großflächig für die Tätowierung verwendet wird, gibt dem Ganzen eine größere Dimension. So kam Don Ed Hardy zu einer Vielfalt an Motiven und Geschichten, die sich dann auf dem Körper als Gesamtkunstwerk zu einer existenziellen Erzählung über Leben und Tod, Schicksal und Geburt, verdichtet. Genau dies wollte Don Ed Hardy in die Tattoo-Szene Amerikas einbringen: Bedeutung, Ernsthaftigkeit, aber auch Humor – eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Tätowieren. Die Modemarke „Ed Hardy“ die lediglich dessen Style, die Formensprache und Motive aufgriff und wahllos abdruckte, steht diesem Ansinnen diametral entgegen. Aber verkauft ist verkauft, und Don Ed Hardy bereut das bis heute.

An diesem Beispiel kann man sehen, wie schnell Qualität zur Quantität verkommt. Wie es in der Kunst und Musik oft vorkommt, denke man zB. an die Punk- oder Grunge-Bewegung. Zuerst innovativ, künstlerisch und rebellisch, dann sehr schnell Modemarke und schnelllebiges Wegwerfprodukt. Mit der Qualität aber gilt es sich immer wieder auseinanderzusetzen, und hier ist das Tätowieren nahezu das beste Beispiel. Das Tattoo auf der Haut bleibt eingraviert, ein Leben lang auf seinem Körper erhalten– so ist eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Geschichte des zu Tätowierenden eine Sache des Respekts. Denn der künstlerische und biographische Wert und Sinn eines Tattoos bleibt immer die Grundvoraussetzung für das Tätowieren. Daher legen wir vom Studio Anansi immer sehr viel Wert auf Vorgespräche, bevor es zum eigentlichen Akt des Tattoo-Stechens kommt. Die persönliche Authentizität eines Tattoos bleibt immer der Maßstab dem sich ein Tattoo zu stellen hat. Ganz im Sinne von Ed Hardy – sofern man nicht das Modelabel meint.

Unser Autor Julian Bachmann vor dem „Tattoo City“-Studio in der Lombard Street in San  Francisco 

Foto: Nora Scholz

Autor. Julian Bachmann