Serienkiller sind zur Zeit in aller Munde, und in unseren Köpfen. Das Bedürfnis, sich mit düsteren und grausigen Lebensentwürfen zu beschäftigen, ist groß. Was sagt das über uns aus?
Wir wollen von unserer sicheren Fernsehecke aus das verfolgen, was sich da so unheimlich darstellt. Wie das Böse entstand, und wie es sich aus einer scheinbar bürgerlichen Existenz entwickelt hat, die falsche Ausfahrt genommen wurde, um dann schließlich in der „guten“ und „vernünftigen“ Welt sein Unwesen zu treiben. Und dieses durchaus mit einer ihm eigenen „bösen“ Rationalität und Logik. Die gute „De Sade“-Schule. Täter wie Ted Bundy sind hochintelligent, kontrolliert, charismatisch und können ihre Opfer für sich einnehmen. Der Widerspruch zwischen einem bürgerlichen Leben und dem Bösen macht sicherlich eine weitere Faszination aus.
Zahlreiche Kinofilme und Serien haben das Thema des Serienkillers verarbeitet. Spätestens seit der Netflix-Dokuserie ‘Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders’ (2019) sind Serienkiller wie Ted Bundy wieder en Vogue. True-Crime-Dokus, Spielfilme oder Bücher stellen uns Typen vor, wie Ted Bundy, wie Charles Manson, im Tarantino-Film „Once upon a time… in Hollywood“, Ed Kemnper, in der Serie „Manhunter“.
„Da draußen lauert ein Wolf, will mein Blut.
Wir müssen alle Wölfe töten“ (Stalin)
Das fremdartige Böse wird in diesen Filmen, Serien und Büchern als Faszinosum ausgestellt, das unsere bürgerliche Existenz mit einem Schatten versieht.
Das Böse mag einen interessieren und beschäftigen, in pure Sensationsgier sollte es aber nie abrutschen. Das gilt insbesondere dann, wenn man geneigt ist, sich ein solches Wesen, sprich: einen Serienkiller, tätowieren zu lassen. Zum Beispiel „Charles Manson“ – sein Konterfei ist als Tattoo wieder stark in Mode gekommen. Ist das Ausdruck von Individualität, Abenteurertum, Abkehr vom bürgerlichen Leben? Oder nur geschmacklos? Wie ist ein solches Tattoo zu bewerten, angesichts der Opfer, die solche Menschen hinterlassen?
Sitzt man, wie ich gestern im Hallenbad einer oberbayerischen Kleinstadt, in dem ein sich liebevoll um seine Kinder kümmernder Familienvater im Babybecken sitzt – mit einem riesigen Charles Manson-Tattoo, zwischen all den Babys, zwischen all den engagierten Müttern (vielleicht etwas zu sehr) – dann fragt man sich schon, welche Aussage soll so ein Tattoo haben: „Geil, da ist jemand mit einem Tattoo von jemanden, der junge Menschen zu vielfachen Mord verleitet hat, eine Sekte initiierte, Gehirnwäsche, Paranoia, Rassismus verbreitet hat – voll gut – ein tolles Vorbild für all die Kleinkinder. Die ja auch einmal Jugendliche werden, und dann auf solch einen Menschen wie Manson treffen und mitgerissen werden – von so „unbürgerlichen“ und „aufregenden“ Mords-Gedanken? Am besten mit dem Soundtrack der Beatles, oder nein, dann wahrscheinlich mit den Songs von Billie Eilish. Das kann es nicht sein, oder?
„Creeping around like no one knows
Think you’re so criminal
Bruises, on both my knees for you.“ (Billie Eilish)
Aber das Gesetzlose ist auch anziehend, keine Frage. Und die Idee, aus dem konventionellen Rahmen und Ästhetiken auszubrechen, ist ja auch eine Idee, die dem Tätowieren zu Grunde liegt. Die Ästhetik auf der Haut, die aufgrund ihrer exponierten Lage über allem Anderen steht. Auch schön dargestellt im Film „Tattoo“ von Robert Schwentke (2002). Es geht um eine ziemlich unappetitliche Mordserie an Menschen, die ihren Körper mit kunstvollen Tätowierungen verzierten. Bei der Entdeckung der Leichen stellen die Ermittler fest, dass den Opfern die Haut abgezogen wurde. Die Tätowierungen wurden mit ihrer „Leinwand“ entwendet und gesammelt. Man klaut die Kunst, nicht den Rahmen. „Jenseits von Gut und Böse“, wie Nietzsche sagen würde, steht das ästhetische Prinzip über dem moralischen. Nur – und auch das würde Nietzsche sagen – ist ein jeder dazu aufgefordert, sich seine eigenen moralischen Prinzipien zu schaffen. Das Problem ist nicht die Moral, sondern ihr Anschein der Allgemeingültigkeit. Lieber mit dem Hammer philosophieren, und individuelle moralische Wertsetzung erzielen. Und ganz in diesem Sinne, muss ein jeder für sich selbst wissen, ob man das Tattoo eines Serienmörders tragen will, oder nicht. Und auch zu den Konsequenzen stehen. Die Kunst ist frei, der Mensch MUSS sich dazu stellen.
„Hast du noch nie was von der
heilenden Kraft des Lachens gehört?“ (DER JOKER)
Die Faszination für das Böse trägt auch dazu bei, dass abertausende Joker-Abbildungen die Haut zieren. In diesen Tagen kommt die Verfilmung des Widersachers von Batman in die deutschen Kinos. Neu ist, dass der Zuschauer nun die Hintergrundgeschichte erfährt, warum der Joker so böse geworden ist. Er ist nicht mehr das Universal-Böse schlechthin, das grundlos mordet und vernichtet. In der jetzigen Verfilmung ist der Joker ein Rächer, der aufgrund seiner Vergangenheit, in der eine verkommene Gesellschaft diesen zu seinen Taten treibt, der Psychose anheim fällt.
Arthur Fleck (der Joker) lebt mit seiner Mutter in einer heruntergekommenen Wohnung. Die Leute lachen über ihn, sie spucken ihn an. Die Psychopillen, die er jeden Tag nehmen muss, helfen ihm nicht bei der Bewältigung seiner Ängste. Als noch die Stelle seiner Sozialarbeiterin gestrichen wird, kommt es zur Apokalypse. Der Joker fängt an sich zu wehren.
Ein Held? Wohl kaum. Aber er ist eine Erinnerung an uns alle, wie schwierig es ist, mit Kränkungen oder gesellschaftlich politischen Verfehlungen umzugehen. Wahnsinn, Mord und Totschlag wird nicht zum Erfolg führen – soviel steht fest. Das Joker-Tattoo erinnert uns an unsere Zerbrechlichkeit, Wut und all die negativen Gefühle in uns. Bloß, braucht es diese Erinnerung – immer und überall?