Aleister Crowley: Okkulte Orgien und Sonnenanbetung

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Warnung: Dieser Artikel enthält explizite Szenen – und ist ziemlich lang.

Okkulte Orgien und Sonnenanbetung: Ein Abenteuer in Cefalù

Cefalù, das malerische Küstenst.dtchen in Italien, ist nicht nur für seine strahlende Sonne und köstliches Gelato bekannt, sondern diente auch als Kulisse für die TVSerie

“The White Lotus”. Schon in den ersten Szenen der Serie wird deutlich, dass sich unter der Sonne von Süditalien viele menschlich-allzumenschliche Leidenschaften regen: gierige Touristen, junge Tinder-Escorts, viel zu reiche Witwen, die zwielichtige Typen anziehen – und allerlei Gesindel. In dieser Serie wird einiges an schrulligen Charakteren aufgeboten, alles vor der malerischen Kulisse von Taormina und Cefalù. Interessant ist, dass sich vor 100 Jahren ein ganz ähnliches Schauspiel in Cefalu ereignet hat – mit schwarzer Magie und vielen dunklen Umtrieben. Was ich damit zu tun habe? Das erzähle ich jetzt.

Ich lag am wunderschönen Strand von Cefalù und vertiefte mich zunächst in ein Buch. Dann überkam mich der Wunsch, noch mehr über diese Stadt zu erfahren. Ich wechselte vom Buch zum Smartphone, um weitere Details über dieses sonnendurchflutete Paradies zu recherchieren. Hauptsächlich ging es mir darum, zu erfahren, welche Schriftsteller schon einmal an diesem tollen Ort waren. Und so stieß ich auf die legendäre Story von Aleister Crowley, seine Abtei Thelema und die okkulte Gruppe von Frauen und (wenigen) Männern um ihn herum. Die Abtei Thelema war ein berüchtigtes Gebäude auf einem Hügel in Cefalù, an dem die dämonischen magischen Sexrituale der Crowley-Gruppe stattfanden. Alles in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Aleister Crowley, ein Mann so vielschichtig wie ein Rätsel: ein berühmter Bergsteiger, ein verschrieener Okkultist, ein Verfechter von Sex und Drogen, ein Weltenbummler und Esoterik-Experte par excellence. In den 60er Jahren wurde er als Kultfigur gefeiert, sein Foto schmuggelte sich sogar auf das “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band”-Album der Beatles. Er war das Posterkind der dunklen Seite, mit der die Rockkultur der Zeit kokettierte. Von “Sympathy for the Devil” der Stones über Claptons Blind Faith und ihren Song “Do What You Like” (ja, das ist Crowleys Motto – brich aus allen Konventionen aus, gut oder schlecht) bis hin zu Jimmy Page von Led Zeppelin, einem überzeugten Crowley-Fan, der sein ganzes Leben lang Crowley-Memorabilien sammelte und immer noch sammelt. Kurz gesagt, Crowley und seine Abtei waren nicht nur ein Punkt auf der Landkarte, sondern ein lebendiges Kapitel der Popkultur.

I am closer to the golden dawn immersed in Crowley’s imagery • DAVID BOWIE

Ich erfuhr weiterhin, dass sich die Abtei immer noch in Cefalù befindet, nahe der Innenstadt, auf einem kleinen Hügel. In einem verfallenen Zustand zwar, eingezäunt und umwuchert, aber noch anzuschauen. In Google-Maps sah ich, dass der Ort in einem zwanzig minütigen Spaziergang zu erreichen sei. So machte ich mich auf den Weg, als literarischer Abenteurer in realer Mission.

Da stand ich also vor der Ruine der alten Abtei Thelema, und ich schwöre, es fühlte sich an wie ein Set für den nächsten Gruselfilm. Nur ohne Popcorn und ohne Drehbuch. Sehr versteckt, über einen obskuren Parkplatz zu erreichen, nach unten an einem Hang, völlig überwuchert. Da auch Schriftsteller manchmal mutig sein müssen, überwand ich den verrosteten Zaun, begab mich durch das Gestrüpp nach unten und konnte so in die zerfallenen Abtei einsteigen. Was ich dort in den labyrinthischen Zimmern vorfand war ziemlich gruselig. Die Wände schienen zu atmen, und die Malereien: waren das die Werke von niemand Geringerem als Aleister Crowley persönlich? Nicht nur, denn dessen Malereien wurden im Laufe der Zeit verändert und neue wurden hinzugefügt. Aber es gibt sie noch, die alten Originalspuren. Zumal sich das Gebäude zu der damaligen Zeit nicht verändert hat.

Dieselben Mauern, dasselbe Dach, derselbe Garten. Dieser Mann, der die Linie zwischen Genie und Wahnsinn im Sandkasten verschwimmen ließ, hatte seine Visionen hier auf die Wände gebannt. Sein Werk, so bizarr und dämonisch.

In den 1920er Jahren hatten Crowley und seine Bande hier wilde Rituale zelebriert. Es gab Geschichten von geheimen Gesängen, kryptischen Symbolen und, nun ja, Orgien. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie hier herumtanzten und den Dämonen in der Dunkelheit huldigten. Mein innerer Detektiv erwachte, und ich begann, die unheimlichen Puzzleteile dieser okkulten Geschichte zusammenzusetzen.

In den wilden Zwanzigern hatte Crowley und seine verrückte Truppe hier obskure Rituale abgehalten, die selbst die schrägsten Partys der Roaring Twenties wie einen Kaffeeklatsch wirken ließen. Da war Crowley, der selbsternannte Gipfelstürmer der Okkultszene, ein Bergsteiger auf den Gipfeln des Wahnsinns. Mit seiner abgedrehten Fantasie bastelte er sich seine eigene Religion und trieb seine Anhänger mit Ritualen bis an die Grenzen des Wahnsinns. Und natürlich, wie sollte es anders sein, gab es jede Menge Sex – und ich meine jede Menge!

Crowley hatte die bizarre Angewohnheit, seine weiblichen Gäste mit einem “Schlangenkuss” zu empfangen, einem schmerzhaften Biss in die Hand, den er sich eigens für diesen Zweck mit scharfen Eckzähnen zugelegt haben soll. Ein Begrüßungsmoment, bei dem man besser Handschuhe trug, denn man würde das nicht so schnell vergessen. Aber das war noch lange nicht das Skurrilste. Das Leben in der Abtei ähnelte eher dem einer wahnsinnigen Hippiekommune als einer frommen Abtei. Neben exzessivem Drogenkonsum war Crowleys Weg zur Erleuchtung vor allem von sogenannter “Sex Magick” geprägt. Bei dieser besonderen Form der Meditation wurden die Teilnehmer aufgefordert, sich in bizarren Ritualen der Lust hinzugeben. Und in der höchsten Stufe der Erleuchtung spielte der Po eine entscheidende Rolle. Ja, du hast richtig gehört, wie das genau ablief, darfst du dir selbst ausmalen.

Nackte Körper, die wild herumtanzen, in obskuren sexuellen Ritualen verstrickt, bei denen seltsame Praktiken an der Tagesordnung standen. Das klingt eher nach einer düsteren Party in einem David Lynch-Film als nach dem Leben in einer klassischen Abtei. Aber hey, wer braucht schon Glockengeläut, wenn die Muse der Lust ruft?

Und so tauchte ich ein in diese absurde Vorstellung, wie Crowley und seine Anhänger die Nächte in der Abtei verbracht haben mögen. All diese mystischen Abenteuer, die eher einem schlechten Drogentrip als einer spirituellen Reise ähnelten. Crowley, der Rockstar des Okkultismus, und seine schräge Version von Spiritualität – man kann nur staunen, was für verdrehte Wege das Streben nach Erleuchtung einschlagen kann.

Ich befand ich mich also an dem Ort, an dem all diese Dinge passierten. Mich überkam mich das Schaudern. Ich erinnerte mich an mein Seminar an der LMU über Hofmannsthal und meine damalige Erkenntnis, dass ich das Gruseln zwar schätze, aber dies gerne im Rahmen von zwei Buchdeckeln stattfinden darf. Ich machte mich schnell auf den Weg aus der Abtei, kletterte aus dem Gebäude, ging den Pfad hinunter und atmete erleichtert auf.

Am Fuße des Hügels war es aber noch nicht zu Ende. Eine junge Frau mit feuerroten Haaren stand da und strahlte wie eine esoterische Erscheinung. Es war, als wäre sie direkt aus einem Fresko gesprungen. Sie stand mitten im Sonnenlicht, ihre Haare leuchteten wie Flammen, und sie sah aus wie eine der Anhängerinnen von Aleister Crowley, die sich der Sonne hingaben, um ihre Körper mit Energie aufzuladen. Ich zwinkerte zweimal und konnte nicht glauben, was meine Augen sahen. Hatte ich etwa die letzten Überbleibsel des Crowley-Kults gefunden? Oder war dies einfach nur ein unglaublicher Zufall? Ich wusste es nicht, aber es fügte sich perfekt in das merkwürdige Mosaik dieses Tages.

Am Strand angekommen, ließ ich mich auf meiner Liege nieder und konnte nicht anders, als die Menschen um mich herum zu beobachten. Und was für ein bunter Haufen das war! Da waren die Tätowierten, die stolz ihre Körperkunst zur Schau trugen. Tattoos, die genauso aufregend, kreativ und sexy waren wie Crowley und seine Rituale, aber auf eine viel positivere und menschenfreundlichere Art und Weise. Jeder Körper erzählte seine eigene Geschichte in bunten Farben und beeindruckenden Mustern.

Während ich die skurrilen, aber fröhlichen Menschen am Strand beobachtete, wurde mir klar, dass das Leben seine eigene Art von besonderen Überraschungen bereithält.Statt düsterer Rituale und geheimnisvoller Symbole waren es hier Tattoos, bunte, und sexy Mode, und jede Menge Seafood und Aperitivo, die die Menschen genossen. Jeder schien seine eigene Geschichte auf der Haut zu tragen, und die Kunstwerke auf ihren Körpern erzählten von Liebe, Leidenschaft und Abenteuern. Es war wie ein Freudenfest.

So saß ich auf meiner Liege, den Blick auf das glitzernde Meer gerichtet, und dachte darüber nach, wie sich die Welt auf wunderbare Weise entfaltet. Magie kann überall sein, sei es in einer alten Abtei oder in den Geschichten, die wir auf unseren Körpern tragen, die Sonne erwärmt jeden Körper, jede Seele.

Und wenn es etwas gibt, das ebenso magisch ist wie Crowleys Rituale, dann ist es der Aperitivo – dieser köstliche Vorgeschmack auf das Beste im Leben. Und den würde ich mir jetzt holen und mich entspannt zurücklehnen, um die sonnige Szenerie von Cefalù in vollen Zügen zu genießen.

Text: Julian Bachmann

Grafik: Jonas Bachmann

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