Das habe ich nicht bestellt

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Kolumne von Dirk-Boris Rödel

Es scheint heute wirklich nicht mehr zeitgemäß; anstatt dass man die Wahl zwischen verschiedenen Modellen und Ausstattungen hat, bekommt man bei der Geburt einfach irgendeinen Körper zugeteilt. Groß oder klein, blond oder schwarzhaarig, hellere oder dunklere Haut – man hat da selber nix mitzureden. Es ist ein bisschen wie bei der Essensausgabe im Internat – man muss damit klar kommen, was auf den Tisch kommt. Aber während man in der Internatskantine wenigstens noch die Köchin anmotzen kann, wenn’s einem nicht schmeckt, ist das beim eigenen Körper schon schwieriger; bei wem beschwert man sich darüber, dass man nicht das Model bekommen hat, das man gern hätte? Bei Gott? Dem Schicksal? Den Genen? Es ist völlig wurscht, wen man dafür anmeckern würde, denn eine Antwort gibt’s von keiner der drei Stellen, Umtausch und Nachbesserung schon gleich gar nicht.

Und so sind wir ein Leben lang dazu verdammt, zu vergleichen und zu fragen; ist jemand anders vielleicht größer, dünner, intelligenter, sportlicher?

Spoileralarm: Ja. Immer. Solche Fragen sind nämlich völlig sinnlos wenn jeder einzelne eben ein Einzelstück ist und alle verschieden sind. Da ist es völlig unvermeidlich, dass IMMER irgendjemand blonder, schlanker, muskulöser oder sonstwas ist. Was wir dabei gerne übersehen; diejenigen, deren Körper wir gern als besonders attraktiv und erstrebenswert erachten, sind nicht selten die unglücklichsten Menschen. Weil die ja auch vergleichen. Und natürlich auch wieder zum Schluss kommen, dass irgendjemand noch toller ist als sie.

Vergleichen ist nämlich eine fiese Sackgasse mit Frust-Garantie, an deren Ende nie die Zufriedenheit wartet, die wir uns erträumen, denn – wie gesagt – es wird uns immer irgendjemand noch erstrebenswerter erscheinen.

Der vergleichende Blick nach außen ist praktisch immer destruktiv; er führt in eine Abhängigkeit von Meinungen und Idealen anderer, denen man sich ausliefert und unterordnet. Rational gesehen würde jeder natürlich ablehnen, das zu tun – tatsächlich macht aber praktisch jeder bei diesem Spielchen mit.

Der Ausweg ist denkbar einfach; man klinkt sich aus, macht sich frei von der Meinung und dem Urteil anderer.

Sich zu tätowieren kann ein Ausdruck einer solchen Freiheit sein (vorausgesetzt, man lässt sich nicht tätowieren, um wiederum einem anderen Schönheitsideal zu entsprechen oder um einen Promi zu imitieren o.ä.). Denn auch wenn man mit seinem eigenen Körper eine Hardware geliefert bekommen hat, die man so nicht bestellt hat; man kann ja immer noch das Gehäuse customizen, nach eigenen Wünschen und Vorstellungen designen. Damit sendet man auch ein Signal nach außen; »Ich mach nicht mit bei eurem höher, weiter, schneller – ich bin schon am Ziel, ich find mich nämlich jetzt schon einfach so klasse, wie ich bin, weil ich nur meine eigenen Idealen entsprechen muss!«

So. Damit wär ich auch schon beinah fertig für heute. Aber eine Sache noch; man kann an sich selbst natürlich nicht nur die Hardware customizen, man kann auch seiner Software ein regelmäßiges Update gönnen. Ihr habt nämlich nicht nur in der Hand, wie ihr euren Körper gestaltet und annehmt, sondern auch wie ihr selbst eure Persönlichkeit formt und zu dem tollen Mensch werdet, den ihr persönlich klasse findet. Und dafür braucht ihr noch nicht mal zum Tätowierer oder Piercer gehen.

Text: Dirk-Boris Rödel / Grafik: Jonas Bachmann