Katzengulasch

146
Katzengulasch und das Kettensägenmassaker im Schlafzimmer
Kolumne von Dirk-Boris Rödel

Als ich mich neulich mit einer Bekannten unterhielt, kamen wir auch auf ihr geplantes Rückentattoo-Projekt zu sprechen. Ich erkundigte mich nach dem Motiv: Sie möchte sich eine Szene aus einem Horrorfilm stechen lassen. Eine sehr blutrünstige Szene mit einer Horrorgestalt.

Soweit, so gut. Pinhead, Michael Myers, Chainsaw Massacre oder Walking Dead – hat man ja alles schon mal als Tattoo gesehen. Aber dennoch konnte ich mich eines Gedankens nicht erwehren; was, wenn die junge Frau, die dieses Tattoo plant, mal mit jemandem zusammen ist, der … wie sag ich das jetzt … also kurz und bündig; was, wenn sie mal jemanden trifft, den es nicht gerade anturnt, beim Sex auf eine bluttriefende Szene mit Horrorfratzen zu schauen? Also in bestimmten Sex-Positionen hätte man das Bild ja unweigerlich vor Augen. Und zumindest in solchen Situationen wirkt das Bild von Zombies, die Gehirne schlürfen, gepfählten Leichen oder Horrorfiguren, die andere Leute mit einer Kettensäge halbieren, vielleicht auf manch einen einfach nicht so sehr stimulierend. Könnte zumindest ich mir vorstellen.

Man macht es sich hübsch, mit schöner Musik, gedimmtem Licht, vielleicht einer Duftkerze und etwas Sekt … und dann schaut man kurz darauf auf ein Bild, wie ein Monster seinem Opfer die Eingeweide aus dem Leib puhlt. Nennt mich altmodisch, aber für mich wäre die Stimmung damit schon ein bisschen angeknackst.

Und was würde man in so einem Fall machen, wenn einen das wirklich stört? Auf Doggy-Style grundsätzlich verzichten? Die Freundin bitten, ein T-Shirt anzubehalten? Ein Poster von Daenerys Targaryen drüberlegen? Macht es alles nicht gerade besser.

Selbstverständlich konnte ich meine Bekannte darauf nicht anzusprechen – ich hätte es als übergriffig empfunden, ihren Tattoowunsch mit Verweis auf mögliche Auswirkungen auf ihr Sexleben in Frage zu stellen. Es ist und bleibt ja ihre Entscheidung – ich bin mir nur nicht sicher, ob diese bis zum letzten Punkt durchdacht war.

Ähnlich problematisch stelle ich es mir vor, wenn man sich sehr explizite Tattoos stechen lässt – seien es Shunga, die klassischen japanischen Farbholzschnitt-Bilder, die Personen beim Sex zeigen, oder auch zum Beispiel Motive aus dem S/M-Bereich – und dann eines Tages gern mal eine Sauna besuchen möchte. Oder ein Schwimmbad, zusammen mit den Kindern, die man vielleicht noch gar nicht hatte, als man sich das Tattoo stechen ließ. Ein Bekannter von mir trägt den Spruch “Eat more Pussy” als Tattoo – auch er hatte sich das stechen lassen, lange bevor er schließlich Vater wurde. Wie erklärt er seinen Kids dieses Tattoo? Dass er früher gern Katzen gegessen hat? Oder was der Spruch wirklich bedeutet? Man weiß nicht, welches für Kinder die verstörendere Erklärung wäre …

Natürlich muss jeder selber wissen, was er / sie sich tätowieren lassen möchte. Und dass Tattoos per se eine provokative Komponente haben ist ja auch unbestritten, das ist ja ein Teil dessen, was ihren Reiz ausmacht. Man lässt sich ja schließlich nicht tätowieren, um sich dem Massengeschmack anzupassen. Und man kann und soll ja auch nicht versuchen, es jedem recht zu machen – manche fühlen sich ja schon durch ein Rosen-Tattoo auf der Schulter gestört, wo soll man denn da dann anfangen. Etwas Toleranz und Kompromissbereitschaft kann man von seinem Umfeld heutzutage ja durchaus einfordern. Aber wie man es dreht und wendet: manche Motive können in manchen Situationen vielleicht am Ende dann doch einfach ein wenig unpassender oder provokativer wirken, als man das ursprünglich geplant hatte.

(Text: Dirk-Boris Rödel / Grafik: Bacco)