Labyrinth • Der Weg zur Mitte und zurück

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Was haben das Tattoo und das Labyrinth gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Auf den zweiten Blick: mehr als man denkt.

Es gibt viele Menschen, die sich die verschlungenen Wege und Pfade als Muster auf die Haut tätowieren. Das Labyrinth dient als Symbol, sich aus ausweglosen Situationen herauszufinden, sich neuen Wegen zu öffnen, aufzubrechen und das Rätsel des Lebens anzunehmen.

Das Labyrinth ist eine der unglaublichsten Schöpfungen des Menschen und spiegelt so viel mehr wider als ein physikalisches Rätsel. Es ist ein Meisterwerk der Geschichte und Mythologie, ein Einblick in den Verstand des Menschen selbst, die rätselhafte Komplexität und schattenhafte Hindernisse, die entweder in eine Sackgasse führen oder zu einem triumphalen Ausgang führen.

Im antiken Griechenland wurde das Labyrinth als existenzielles Symbol verehrt. Es war nicht nur dazu da, geheimnisvolle Gänge zu erschaffen und den Menschen die Aufgabe zu machen, wieder herauszufinden. Nein, es war das Symbol der Selbstfindung. Nichts weniger als man selbst, droht oft in den widrigen Lebensumständen verloren zu gehen. Wir kennen das aus unseren eigenen Erfahrungen: Man sitzt falschen Meinungen auf, verliert sich in Konventionen und Pflichten, fühlt sich eingesperrt. Es ist an der Zeit, aus den Irrungen aufzubrechen – egal an welcher Stelle man sich im Labyrinth des Lebens befindet. Wie wichtig das ist, beschreiben die antiken Griechen damit, dass sie ihr Labyrinth noch von dem wilden Stier Minotaurus bewohnen lassen. Diesen dann hinter einer Biegung eines Ganges zu treffen kann tödlich enden.

Dieser Stier, der zugegebenermaßen ein Mischwesen ist, halb Stier, halb Mensch, unterstreicht mit seiner menschlichen Note umso mehr seine für den Menschen existenzielle Bedeutung.

Gnothi Seauton – Erkenne dich selbst – ist die Inschrift im Apollotempel von Delphi. Und damit ist die wichtigste Aufgabe für den Menschen beschrieben: Es ist die Aufforderung, sich nicht in Worte und bloße Äußerlichkeiten zu verlieren, sondern sein Tun und Lassen bis in das Innerste hinein in den Blick zu nehmen. Um dieses Ansinnen nicht aus dem Blick zu verlieren, helfen uns Tätowierungen.

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum wir ein Labyrinth-Tattoo in Betracht ziehen können. Vielleicht packt uns der griechische Mythos des Minotaurus mit seiner Geschichte von tierischem Bösen und menschlichem Mut, vom Kampf gegen die eigenen Ängste im Dunkeln. Oder vielleicht spricht uns die Symbolik des Labyrinths an, dass, um seine Probleme zu lösen und seinen Weg durchs Leben zu finden, viele Drehungen und Wendungen gemacht werden müssen, dass Fehler unvermeidlich sind, aber aus denen wir wieder herausfinden.

Und auch daran erinnern uns labyrinthische Tattoos: dass wir uns auch in Zukunft allen Widrigkeiten stellen, dass wir Herausforderungen annehmen, auch wenn wir nicht gleich die Tür nach draußen sehen.

Das ist doch mal ein guter Grundsatz für das neue Jahr 2023.

Hannibal knows best

text: Julian

grafik: Jonas

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