Darf’s ein bisschen origineller sein?

781
0

Darf’s ein bisschen origineller sein? • Kolumne

»Darf’s ein bisschen mehr sein?« wird man oft gefragt, wenn man an der Wurst- und Käsetheke hundert Gramm Lyoner oder hundertfünfzig Gramm mittelalten Gouda wünscht. Das ist so ein Standard-Satz, der zum Einkauf beim Metzger eigentlich schon dazu gehört.

Beim Tätowierer wäre es oft wünschenswert, wenn man da in ähnlicher Weise gefragt würde »darf’s denn auch ein bisschen origineller sein?«, denn viel zu oft holen sich Kunden Tattoos ab, die bei genauer Betrachtung wirklich nicht gerade ein Highlight in Sachen Originalität darstellen; Unendlichkeits-Schleifen, Geburtsdaten, Namen, Mini-Sternchen, Herzschlags-Kurven… denn bei jedem Tätowierer, der das gerade eben gelesen hat, lösen diese Motive unmittelbar den Gähn-Reflex aus.

Fangen wir mal mit Namen und Geburtsdaten an; die lässt man sich ja von Menschen tätowieren, die einem besonders wichtig sind. Und deren Namen und Geburtsdaten man ja dann wohl auch kennt… also stellt sich die Frage; wozu lässt man es sich denn dann tätowieren? Für einen selbst ja wohl nicht, denn dass sind ja Dinge, die man ohnehin nicht vergisst. Und dass der Sitznachbar in der Sauna an meiner Haut ablesen kann, dass Melissa am 08. 05. 2018 und Sebastian am 03. 09. 2020 geboren wurde, ist auch nicht unbedingt nötig, oder? Abgesehen davon, dass meine Haut ja kein Behördenformular ist, auf dem ich persönliche Daten von Angehörigen eintragen müsste.

Die Unendlichkeit-Schleife ist natürlich ein Symbol, das dazu geeignet ist, bedingungslose Liebe und ewige Verbundenheit auszudrücken. Aber inzwischen wird dieses Symbol einfach so inflationär benutzt, dass die massenhafte Verbreitung die Bedeutung des eigentlich schönen Symbols überlagert und der Beigeschmack des Standard-Stempels die Wichtigkeit, die der Träger mit diesem Zeichen verbindet, deutlich schmälert.

Kommen wir zu den drei (oder vier oder fünf…) Sternchen, die Vater, Mutter und Bruder (oder Schwester) symbolisieren sollen. Oder die für Eltern, Großeltern und Kinder stehen. Oder für Hund, Katze, Maus oder für Friede, Freude, Eierkuchen… ja, das war jetzt ein bisschen polemisch, aber ich denke, damit wird klar; das ist ein eigentlich vollkommen nichtssagendes Symbol, das man völlig willkürlich mit absolut jedem beliebigen Inhalt füllen kann.

»Aber wichtig ist doch nur, dass es für mich eine Bedeutung hat!« hört man dann oft. Im Prinzip; ja. Und es muss sich ja auch niemand für seine Entscheidung zu diesem oder jenem Tattoo-Motiv rechtfertigen.

Aber man muss doch auch mal fragen dürfen; wenn jemandem die Kinder, die Großeltern oder sonst etwas so wichtig ist, dass er sich in Form eines lebenslangen Bildes auf der Haut ein ewiges Andenken an diesen Menschen stechen lassen möchte – also wenn etwas so eine Wichtigkeit hat, beißt es sich denn dann nicht ein wenig, wenn man für so etwas wichtiges dann einfach ein Standard-Motiv aus der Krabbelkiste wählt, das tausende andere auch tragen? Wäre es der Wichtigkeit des Motivs denn nicht angemessen, nach einer originelleren, individuelleren Lösung zu suchen die dem damit geehrten Menschen auch gerechter wird, statt eines »one size fits all«-Motivs?

Das muss ja nicht unbedingt ein Porträt-Tattoo sein; wenn die Oma toll backen konnte, wie wär’s mit einem Tattoo ihres Apfelstrudels im Neo-Traditional-Stil? Deine Tochter liebt ihren Bobby-Car und dein Sohn ist verrückt nach Ninjago? Es gibt sicher einen Tätowierer, der dir daraus ein tolles Motiv zusammenbaut, dass dir beim Betrachten immer wieder schöne, individuelle Erinnerungen an deine Kinder schenkt. Dein Vater hat dich als Kind immer zu Schalke-Spielen mitgenommen? Wäre da nicht sein Fan-Trikot ein schönes Motiv?

Wenn einem jemand wichtig ist, dann verbindet man unendlich viele schöne Erlebnisse, Eindrücke, Erinnerungen oder besondere Gefühle und Momente mit dieser Person, aus denen sich mit etwas Phantasie und Kreativität die tollsten Tattoo-Motive erstellen lassen, die der Einzigartigkeit dieses Menschen in eurem Leben Rechnung tragen und dessen Besonderheit für euch zum Ausdruck bringen.

Ihr meint, das könnt ihr nicht so gut und ihr wisst nicht so recht, wie ihr das angehen sollt, so ein individuelles Motiv zu erstellen? Das ist doch nicht schlimm und auch kein Problem; denn dafür, wie gesagt, gibt’s ja professionelle Tätowierer, die euch gerne helfen, das Ganze etwas origineller umzusetzen.

Text: Dirk-Boris Rödel

Grafik: Jonas Bachmann

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *