Die Wildcat Tattoo-Cruise

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Kolumne • von Dirk-Boris Rödel

Ich hab in meiner Zeit als Tattoo-Journalist schon unzählige Tattoo-Conventions miterlebt, die »normalen« in Messehalle, Mehrzweckhallen und Turnhallen, aber auch solche in alten Kinos, Festzelten, Kapellen, Eissporthallen (nicht zu empfehlen), auf Bodensee-Fähren und auch in ausgedienten Justizvollzugsanstalten, aber eine Tattoo-Convention auf einem Kreuzfahrtschiff, das war auch für mich etwas Neues.

Die Firma Wildcat unterhält schon seit ein paar Jahren Tattoo-Studios auf Kreuzfahrtschiffen, und auf anderen Special-Interest Seefahrten wie der Metal Cruise oder 70.000 Tons of Metal waren schon einzelne Tätowierer mit an Bord solcher Schiffe, aber eine komplette Convention an Bord – und das über mehrere Tage – das war ein Novum.

Für die Tattoo-Cruise nutzte Wildcat-Chef Martin Siedler Synergie-Effekte von der Dortmund-Convention, die direkt davor stattgefunden hatte und konnte so Spitzentätowierer wie Benjamin Laukis, Randy Engelhard, Guido Schmitz oder auch Tibor Szalai, Moriel Seror, Boris Lazlo, Moni Scharnagl oder Derek Entenmann und Thomas Kellinger an Bord holen, die zuvor auf der DortmundCon gearbeitet hatten.

Da auf einem Kreuzfahrtschiff keine Halle vorhanden ist, in der man normalerweise Conventions veranstalten würde, waren die Stände der Tätowierer auf mehrere Räume und einen Barbereich verteilt, was aber gut funktionierte.

Die Befürchtung, dass womöglich der Seegang das Tätowieren an Bord erschweren könnte, erwies sich zumindest auf dieser Seereise, die von Bremerhaven über Rotterdam nach Dover und wieder zurück führte, als unbegründet. Die Nordsee war beinahe schon untypisch ruhig, es war kaum einmal überhaupt Seegang zu spüren, so dass es zu keinerlei Beeinträchtigungen durch stürmische See und hohe Wellen kam.

Dass alle Teilnehmer, Tätowierer wie auch Kunden, über fünf Tage zusammen blieben, ergab insgesamt eine ganz andere Atmosphäre als es bei konventionellen Tattoo-Conventions der Fall ist, ermöglichte größere Projekte und ließ dennoch Kunden wie auch Tattoo-Artist noch genug Zeit, die Annehmlichkeiten des Schiffs zu genießen oder auch beispielsweise in Rotterdam oder Dover an Land zu gehen. Dort hätten Tattoo-Fans natürlich noch zusätzliche Möglichkeiten gehabt, sich mit tätowierten Souvenirs zu versorgen; allein während der Busfahrt vom Schiff zu Dover Castle zählte ich drei Tattoo-Shops in der englischen Hafenstadt, und auch Rotterdam ist an Tattoostudios wahrlich nicht arm.

Ein möglicher Verbesserungsvorschlag würde vielleicht auch hier ansetzen; sehr viele Reisende hätten sich bestimmt noch gern ein kleines Souvenir-Tattoo stechen lassen, einfach ein simples, kleines Schiffs-Design mit Schriftzug »Tattoo-Cruise 2024« oder ähnliches, wofür die meisten der Tätowierer an Bord aber keine Kapazitäten hatten. Drei, vier oder auch fünf Tätowierer, die nur solche Mini-Souvenir-Tattoos angeboten hätten, wären mit Sicherheit über die gesamte Reise hinweg ausgebucht gewesen – vielleicht eine Idee für zukünftige Tattoo-Cruises.

Aber angesichts der vielfältigen Möglichkeiten an Bord – Fitness-Studio, Sauna, Kino, Pools, Jogging-Strecke, Basketball-Platz, Shopping-Area sowie ungezählten Bars, Restaurants und Cafés wollten natürlich auch die Tätowierer nicht die gesamte Zeit auf dem Schiff mit Arbeit verbringen.

Im Rahmenprogramm der Tattoo-Cruise gab es auch Tattoo-Talkrunden, ich selbst hielt mehrere Vorträge über Themen wie Motivfindung, Tattoo-Beurteilung oder auch Tattoo-Geschichte und es gab auf einer kleinen Bühne in der Schau-Bar kleinere Gitarrenkonzerte oder Jonglage-Shows, aber Highlight waren natürlich die zahlreichen Bands wie BossHoss, Deeznuts, Sick of it all, Comeback Kid, Stick to your Guns, Jaya the Cat oder Knorkator, die jeden Abend auf dem Hauptdeck spielten.

Natürlich durfte auch auf einer See-Convention der obligatorische Tattoo-Contest nicht fehlen, der auf der Bühne des großen Theaters stattfand. Neben Randy Engelhard, Martin Siedler und Moderator Nori Storm war ich selbst ebenfalls Mitglied der Jury, und wir hatten es wahrlich nicht leicht, unter den zahlreichen Teilnehmern die besten frisch gestochenen Tätowierungen zu küren.

Insgesamt wurde die Convention-Seereise sehr gut angenommen und praktisch jeder Gast auf diesem Tattoo-Kreuzfahrtschiff war begeistert von dieser einzigartigen Erfahrung, so dass bereits für 2026 eine weitere Tattoo-Cruise geplant ist, die etwas länger dauern und im Herbst zu den Balearen führen soll.

Text: Dirk-Boris Rödel

Grafik: Jonas Bachmann | MARCO

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