Dinge, die man sich sparen kann: Meinungen zu Sachen, die einen nix angehen.

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Neulich hab ich auf Facebook einen Post gesehen, der zwei Fotos ein und derselben jungen Frau zeigte; auf dem ersten Foto war eine Frau um die zwanzig zu sehen, mit blonden, schulterlangen Haaren, hübschem Gesicht, freundlichem Lächeln – so die Art von Fotos, die man einem Bewerbungsschreiben beifügen würde. Das zweite Foto zeigte die selbe junge Frau, offenbar einige Zeit später; sie hatte schwarz gefärbte Augäpfel, eine gespaltene Zunge, Piercings, Gesichtstattoos und gefärbte Haare.

Auch wenn ich weiß, dass man bei Facebook nie, niemals, unter keinen Umständen die Kommentare lesen sollte, tat ich es in diesem Fall dennoch, und fand genau die Art von Kommentaren, die ich zu diesem Post erwartet hatte, in allen denkbaren Varianten: »Wie kann sich so ein hübsches Mädchen so verunstalten!« »Sie war mal so schön, jetzt sieht sie nur noch abstoßend aus!« »Bei ihr muss etwas schreckliches passiert sein, dass sie sich selbst so hässlich macht!« »Wie können die Eltern so etwas nur zulassen!« »Sie hat ihr Leben zerstört!« »Sie war mal so schön, ihr hätten alle Türen offen gestanden, aber jetzt sieht sie entsetzlich aus!« – usw., usf.

Und wisst ihr was? Hätte ich sagen sollen, auf welchem Foto mir die junge Frau besser gefällt, hätte ich vielleicht auch erst mal auf das getippt, als sie noch keine gefärbten Augäpfel, Piercings und Gesichtstattoos hatte. Aber soll ich euch noch was sagen? Das wäre vollkommen egal und absolut irrelevant gewesen, weil es mich – genauso wie jeden einzelnen, der darunter kommentiert hatte – einfach einen Dreck angeht, wie diese junge Frau selbst aussehen möchte und was sie aus sich macht.

Es gibt auf der ganzen Welt exakt nur eine einzige Person, die das Recht hat, darüber zu entscheiden, wie diese junge Frau aussehen soll; und das ist sie selbst und niemand sonst. Nicht ihre Eltern, nicht ihre Arbeitskollegen, nicht ihre Freunde und schon ganz sicher nicht irgendwelche wildfremden Typen auf Facebook, die glauben, andere seien aus irgendeinem Grund dazu verpflichtet, ihren persönlichen Vorstellungen von Attraktivität von Schönheit zu entsprechen.

Ich mein, ernsthaft, wie kommt man denn auf die Idee, man hätte das Recht, anderen Leuten zu sagen, wie sie auszusehen haben, damit man selbst sie attraktiv findet? Was glauben manche Leute, wer sie sind, dass sie anderen sagen dürfen, wie sie sie gerne hätten? Wer hat sie nach ihrer Meinung gefragt und wie kommen sie auf die Idee, ihre Meinung dazu wäre in irgendeiner Weise von Bedeutung?

Natürlich denken viele tatsächlich, dass man das darf, dass es ok sei, andere dazu zu drängen, der gängigen Schönheitsnorm zu entsprechen; Formate wie Germany’s next Top Model machen es ja vor und zeigen, dass man sanktioniert und bestraft wird, wenn man aus dem genormten Schönheitsideal ausbricht.

Ja, hätte sein können, dass diesem jungen Mädchen, dass zunächst allen gängigen Vorstellungen von Schönheit entsprach, alle Türen in unserer Gesellschaft offen gestanden hätten. Aber vielleicht hatte sie ja überhaupt keinen Bock darauf, mit ihrer Attraktivität in einer Gesellschaft erfolgreich zu sein, die Äußerlichkeit vor alles andere stellt. Und ja, vielleicht ist auch irgendwann mal tatsächlich irgendwas Schlimmes in ihrem Leben passiert, das den Auslöser dazu gab, dass sie ihr Aussehen so veränderte. Vielleicht aber auch nicht. Das kann ich nicht sagen.

Was ich dagegen mit absoluter Sicherheit sagen kann ist: Es geht mich absolut nichts an, es geht mich nicht das Geringste an, jedenfalls so lange nicht, solange sie nicht auf mich zukommt und mich um meine Meinung fragt.

Wir sind es in unserer Gesellschaft so sehr gewohnt, dass man ständig irgendwas tut, um anderen zu gefallen, um keinen Unmut zu erregen, um dazu zu gehören, dass es ganz undenkbar erscheint, dass es auch Menschen gibt, die Dinge tun, die nur ihnen selbst gefallen und die sich nicht drum scheren, was andere davon halten.

Diese junge Frau ist anscheinend so ein Mensch. Und das finde ich dann schon wieder ziemlich gut – obwohl auch das natürlich völlig egal ist, weil das, was sie tut, nicht davon abhängig ist, ob andere es doof oder gut finden.

Und grundsätzlich, denke ich, kann man festhalten, dass man bei allen Urteilen und Kommentaren, die man über andere Leute und deren  Aussehen abgeben möchte, erst mal überlegen sollte, ob es einen selbst irgendwas angeht. Ich denke, in 99,9% der Fälle lautet die Antwort: Nein.

Text: Dirk-Boris Rödel

Grafik: Jonas Bachmann

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One thought on “Dinge, die man sich sparen kann: Meinungen zu Sachen, die einen nix angehen.

  1. Ich entschuldige mich aufrichtig für diesen Kommentar! Aber ich teste einige Software zum Ruhm unseres Landes und ihr positives Ergebnis wird dazu beitragen, die Beziehungen Deutschlands im globalen Internet zu stärken. Ich möchte mich noch einmal aufrichtig entschuldigen und liebe Grüße 🙂